Eine feine Frucht, auch etwas Mineralisches, dezent in der Nase, strahlt Eleganz aus – kombiniert mit einer Weinprobe informierte Oenologieprofessor Dr. Ulrich Fischer beim Winzerforum der VR Bank Südpfalz in der Kinck’schen Mühle in Godramstein darüber, wie südpfälzische Weinbaubetriebe Extremwetterereignissen im Weinbau und Keller begegnen können. Sein Kollege am Dienstleistungszentrum Ländlicher Raum (DLR) in Neustadt, Dr. Jürgen Oberhofer, belegte der Branche mit aussagekräftigen Zahlen, welche Faktoren für die langfristige Überlebensfähigkeit eines Weinbaubetriebes entscheidend sind. Markus Bohlender, zertifizierter Nachhaltigkeitsberater der Genossenschaftsbank, rundete die Vortragsreihe mit Impulsen zur nachhaltigen Geldanlage ab.
Sichtlich erfreut zeigten sich die rund 200 Winzerinnen und Winzer bei der bereits neunten Veranstaltung dieser Reihe, sich endlich wieder persönlich bei einer Veranstaltung ihrer Bank zu treffen. So auch die pfälzische Weinprinzessin Sabina Kobek: „Heute ist die erste größere Veranstaltung seit meiner Wahl. Ich freue mich, viel bekannte Gesichter zu sehen.“ Weinbaupräsident Reinhold Hörner lobte das Engagement der Genossenschaftsbank für seinen Berufsstand. „Landwirtschaft und Weinbau sind ein wesentlicher Partner unserer Bank", hob der Vorstandsvorsitzende der VR Bank Südpfalz Christoph Ochs die Verbundenheit in seiner Begrüßung hervor.
„Was nützt Ihnen der beste Wein, wenn Sie diesen nicht zu den Produktionskosten vermarkten können“, so Oberhofer provokativ zu Beginn seines Vortrages. Im „magischen Dreieck“ von Liquidität, Rentabilität und Stabilität hätten liquide Mittel höchste Priorität, um als Betrieb rentabel sein zu können und dadurch langfristig stabil. Entscheidende Kenngröße für die Stabilität sei nicht der Gewinn, sondern die Bildung von Eigenkapital. „Eigenkapitalbildung ist zur Finanzierung des technischen Fortschritts, zum Inflationsausgleich und für das einzelbetriebliche Wachstum dringend erforderlich“, erläuterte Oberhofer. Mindestens 25.000 Euro jährlich nannte er als Zielgröße. Dabei müsse ein Betrieb mit 2 Familienarbeitskräften einen Gewinn von rund 150.000 Euro erzielen, damit ein vergleichbares Nettoeinkommen eines durchschnittlichen Arbeitsnehmers übrigbleibt. Seinen Zuhörern gab er die Hausaufgabe mit: „Prüfen Sie Ihre Eigenkapitalveränderung im 5-Jahres-Durchschnitt und berücksichtigen Sie dabei ihren privaten Bereich.“ Die Kostensteigerungen durch Corona, Absenkung der Umsatzsteuerpauschale und Ukrainekrieg stelle die Branche vor große Herausforderungen: „Das Geld beim Verbraucher wird knapp und beim Wein kann man leichter sparen, als bei der Grundversorgung.“
Starkregen, Hagel, Frost, Trockenheit – Extremwetterereignisse häufen sich. Wie können wir diesen im Weinbau und Keller begegnen? Professor Fischer hatte Antworten und Empfehlungen auf diese Frage und informierte darüber, wie die Forschung zu neuen Lösungen führt, aber auch welche Erkenntnisse in der Praxis bereits umgesetzt werden. Gerade gegen Hagel können die Reben durch Einsatz des Hagelfliegers oder von Schutznetzen schon sehr erfolgreich geschützt werden. Starkregen verhindere häufig den termingerechten Pflanzenschutz, da die Weinberge nicht befahrbar sind, was – wie im Jahr 2021 – zu enormen Ertragsausfällen führen kann. Fischer empfahl den Gästen deshalb, sich mit neuen robusteren Rebsorten (Piwis) auseinanderzusetzen: „Wer sich mit Piwis auskennt, kann gleichwertig guten Wein erzeugen, wie mit klassischen Rebsorten.“ Bei den Spätfrösten zeigte er vielseitige Lösungsansätze auf, sei es die Bewindung, beheizbare Biegedrähte in der Nähe der jungen Triebe oder Frostberegnung. „Schon heute können Sie in frostgefährdeten Lagen aus den Minimalschnitt umstellen“, so der Experte. „Sowohl Frost- als auch Hagelschäden können so deutlich minimiert werden.“ Im kommenden Jahr etabliert das DLR eine Minimalschnittanlage von neuen PiWi-Sorten, um dringend benötigtes Wissen für die Praxis zu generieren. „Der Sonnenbrand durch Hitzewellen führt immer häufiger zu empfindlichen Ertragseinbußen“, wusste Fischer zu berichten. Der Auftrag von feinen Kalk- und Kaolinpartikeln scheine empfindliche Trauben vor Sonnenbrand zu schützen. Erstaunt waren die Zuhörer, dass moderater Wasserstress die sensorische Ausprägung auch von Riesling positiv beeinflussen kann und die Aromen eher fördert als reduziert. Mit Humusaufbau das Wasser in den Weinbergen zu halten, ist wichtiger denn je, so Fischer. „Ein Mehr an Biodiversität ist nicht nur förderlich für Ökologie und schön anzusehen, es macht das System Weinberg auch im Klimawandel nachhaltiger.“
Trotz der Risiken des Klimawandels erwähnte Fischer auch Chancen für die Branche, etwa die höhere Traubenreife mit mehr Aroma- und Farbbildung. So können Winzer ihr Rebsortenspektrum attraktiv erweitern und ehemals grenzwertige Rebflächen werden besser. Er schloss mit einem Zitat von Bernhard Schellenhuber vom Potsdamer Institut für Klimafolgenabschätzung: „Beherrsche das Unvermeidbare und vermeide das Unbeherrschbare.“
Auch in der Geldanlage spielt der Klimawandel eine Rolle, begann Markus Bohlender seinen Impulsvortrag. Viele Anleger möchten mittlerweile nicht nur Geld anlegen, sondern mit ihrer Anlage auch etwas Positives bewirken. Interessante Anlagevarianten ermöglichen die Investition in wirtschaftlich erfolgreiche Unternehmen, die dem Klimawandel wirksam entgegentreten. „Gutes kombinieren – nachhaltige Fonds können diesen Wunsch unserer Kunden mit ganz unterschiedlichen Schwerpunkten erfüllen“, gab Bohlender abschließend seinen Zuhörern mit auf den Weg.
Ochs bedankte sich bei den Referenten für die kompetenten Ausführungen und lud alle Gäste zum Dialog ins Erdgeschoss der ehemaligen Mühle ein, wo die „Junge Pfalz“ weitere Weine zum Buffet anbot.