Sisy – Kaiserin der Dörfer

Artikel aus "Die Rheinpfalz" vom 30.07.2016

Die VR-Bank Südpfalz will ihre kleinen Filialen auf dem Land unbedingt erhalten. Die Lösung: Sisy. Nachwuchs-Führungskräfte haben das Service-Interaktivsystem ausgetüftelt. Anstelle der netten Berater am Schalter betreuen Bankkaufleute in der Landauer Zentrale per Live-Schaltung die Kunden.

Die Sparkasse Südliche Weinstraße hat sich mit der Schließung von acht Geschäftsstellen und der Umwandlung von sechs weiteren zu „unbemannten“ Automatenstellen unbeliebt gemacht. Fakt ist allerdings, dass viele kleine Zweigstellen ein teures Zuschussgeschäft sind. Der VR-Bank Südpfalz geht es nicht besser: In kleinen Geschäftsstellen sind die gut ausgebildeten Bankkaufleute nicht ausgelastet, aber den Verdruss über ein Filialsterben will die Bank sich und ihren Kunden gerne ersparen. „Wir müssen als regionale Genossenschaftsbank in der Fläche bleiben, um unsere Identität nicht zu verlieren“, formuliert der Vorstandsvorsitzende Christoph Ochs. Er schickt daher Sisy ins Rennen um die Gunst der Kunden.

Den Auftakt macht dabei die VR-Bank-Filiale in Lustadt, weil dort eine Mitarbeiterin in Mutterschutz geht, sich aber bei 30 bis 40 Besuchern täglich eine Nachbesetzung nicht rechnet. Die Öffnungszeiten zu reduzieren, wäre nicht kundenfreundlich, sagt Ochs: Er will den 9-bis-17-Uhr-Service aufrechterhalten, ohne dass Filialbereichsleiter Florian Ziegler neben seiner Beratungsarbeit auch noch die Kassengeschäfte führen muss. Das übernimmt Sisy, das Service-Interaktivsystem.

Sisy wohnt in einem runden Häuschen, das ein wenig an eine luxuriöse Duschkabine erinnert. Gebaut hat es ein Landauer Schreiner: türenlos und groß genug, um auch mit Kinderwagen oder Rollator reinzufahren, aber trotzdem diskret und kuschlig. Lederartige schwarze Wandbespannung und gebürstetes Alu außen, cremefarbener flauschiger Teppich innen, ein schmales Fensterband, eine kleine Schreibplatte und darüber ein großer Flachbildschirm, von dem Sonja Trauth dem Besucher entgegenlächelt und freundlich südlich grüßt– so wie sie das Aug’ in Aug’ am Schalter auch täte. Nur dass Teamleiterin Trauth oder eine ihrer 22 Kolleginnen 15 Kilometer entfernt in der Zentrale in der Landauer Waffenstraße sitzen.

„Das sind alles gut ausgebildete Bankkaufleute, keine Studenten oder Call-Center-Telefonistinnen“, betont Ochs. Das Echtzeit-Gespräch ist möglich dank Kameras und Internet-Übertragung. Wenn Trauth oder eine ihrer Kolleginnen beispielsweise für einen Kunden einen Überweisungsträger ausfüllen, wird dieser groß zum Mitlesen auf dem Bildschirm eingeblendet. Die Kunden müssen nicht einmal selbst Informationen wie die Bankverbindung aus dem Kleingedruckten einer Rechnung heraussuchen. Wenn sie mitgebrachte Unterlagen in einen filigranen Alurahmen legen, können die Mitarbeiterinnen in der Zentrale per hochauflösender Kamera mitlesen. Unbekannte Kunden können sich so auch offiziell ausweisen.

Eines war Ochs wichtig: „Man muss keinen einzigen Knopf drücken.“ Das soll auch wenig technik-affinen Kunden die Berührungsängste nehmen. So muss man weder eine Bankkarte eingeben, noch eine Tastatur bedienen. Nur ein Signaturerfassungsgerät mit Stift steht auf der Schreibplatte. Die damit geleistete Unterschrift erscheint umgehend auf dem Bildschirm. Mehr als 100 typische Geschäftsvorgänge sind im Computer hinterlegt und vom Serviceteam eingeübt. So kann man sich beispielsweise nach Kontoständen erkundigen, Konten eröffnen, Freistellungsaufträge einrichten, Fremdwährungen ordern oder Kreditkarten bestellen oder sperren oder Wertpapiere kaufen. Selbst eine vergessene Pin-Nummer stellt kein Problem dar: Die Sisy-Damen können für eine kurze Zeit eine bestimmte Summe freischalten, die sich die Kundschaft dann am Geldautomaten ziehen kann.

In den nächsten vier Wochen werden vier Azubis der Bank vor Ort sein, um die Kunden beim Kennenlernen des Systems zu unterstützen. Außerdem sind die Lustadter per Broschüre informiert worden.

Ein knappes Jahr hat ein Projektteam an der Entwicklung von Sisy gearbeitet. Etwa 30.000 Euro kostet ein solches System, das die VR-Bank auch anderen Geldinstituten anbieten will. Erste Anfragen gebe es bereits, sagt Ochs. Die Bank will Sisy nun bis zum Jahresende in Lustadt erproben. In wie vielen ihrer 40 Geschäftsstellen sie die neue Helferin künftig einsetzt, werde erst danach entschieden, sagt der Vorstandsvorsitzende. Wenn das System so angenommen wird wie erhofft, baut die Bank künftig auch eigene Sisy-Geschäftsstellen. Wenige Quadratmeter und ein Internetanschluss reichen aus. boe

Quelle
Ausgabe: Die Rheinpfalz - Pfälzer Tageblatt - Nr. 176
Datum: Samstag, den 30. Juli 2016